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KOKO#12 Kreuzungen der Communitys im Chaos
Interview mit Karam

#12 Kreuzungen der Communitys im Chaos
Interview mit Karam

Einst als "gefährlichste Straße Deutschlands" bezeichnet, hat sich die Eisenbahnstraße in Leipzig zu einer lebendigen Straße entwickelt. Während sich die Stadt rasant verändert, gibt es Menschen, die in ihrem eigenen Tempo und mit einer gewissen Gelassenheit ihren Weg gehen.

In der 12. Folge geht es um Karam, der als syrischer Flüchtling nach Deutschland kam. Nach einem langen Asylverfahren erlangte er endlich seine Freiheit und entschied sich, in Leipzig zu leben. Dort erfüllte er sich den Traum, einen Food Truck zu eröffnen.
Seit den 2010er-Jahren zieht die Eisenbahnstraße Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund an. Eine repräsentative Gruppe ist die arabisch sprechende Bevölkerung, die heute eine große Gemeinschaft in der Eisenbahnstraße bildet.
Karam kommt aus Syrien und startete im November 2022 seinen eigenen Foodtruck ‘Karam’s Cuisine’. Er versteht seinen Foodtruck als modernes Bindeglied zwischen der arabisch sprechenden Gemeinschaft und der jungen deutschen Community.
“Ich kam ursprünglich als syrischer Flüchtling nach Deutschland und landete zunächst in einem kleinen Dorf in Westdeutschland. Dort beantragte ich den Flüchtlingsstatus und bekam schließlich 2016 eine Aufenthaltsgenehmigung und das Nötigste, was ich zum Leben in Deutschland brauchte. Zum ersten Mal konnte ich mir die Stadt aussuchen in der ich leben wollte.”
Er zog nach Leipzig und arbeitete als Arabisch-Dolmetscher für eine Flüchtlingsorganisation. Er fand den Job lohnend, aber sein Traum war es, seinen eigenen Foodtruck zu eröffnen.

“Ich habe viel gearbeitet, um den Truck zu bekommen. Ich habe Pakete für Amazon ausgeliefert oder als Koch gearbeitet. Am Anfang habe ich jeden Monat 20-50 Euro gespart und schließlich hatte ich genug Geld, um einen großen Transporter zu kaufen. Er war innen leer, die Küche und die Regale baute ich ganz allein ein.”
Nach dem Kauf des Lastwagens war der nächste Schritt einen Ort zu finden, an dem der Foodtruck eröffnet werden konnte. Karam besuchte zufällig die ‘Radtanke’, einen Veranstaltungsort am östlichen Ende der Eisenbahnstraße. Dabei handelte es sich um eine umgebaute ehemalige Tankstelle und er war überzeugt, dass dies der ideale Standort für seinen Foodtruck war. Er wandte sich sofort an den Besitzer, bekam die Erlaubnis und eröffnete‚ Karam’s Cuisine’‘.
“Man trifft hier jeden Tag viele interessante Menschen. Ich habe mein ganzes Leben lang in der Eisenbahnstraße gewohnt, also kommen auch alle meine Nachbarn und Freunde hierher. Der Foodtruck ist mein zweites Zuhause. Im Prinzip basiert es auf syrischem Essen, aber ich gebe allem meinen eigenen Touch. Das ist mein Stil. Der Name des Restaurants ist nicht 'Syrian Cuisine', sondern Karam’s Cuisine’. Mein syrisches Sandwich Toschka ist der Bestseller.”

In den letzten Jahren ist die arabische Gemeinschaft in der Eisenbahnstraße weiter gewachsen.
“Natürlich gibt es Konflikte auch zwischen Deutschen und Arabern, aber ich möchte mich nicht nur auf die Probleme konzentrieren. Ich gehöre sowohl der arabischen als auch der deutschen Kultur an, komme viel herum und bemerke daher, dass es in der Eisenbahnstraße mehrere Orte gibt, an denen sich unterschiedliche Kulturen treffen. Die arabisch sprechende Gemeinschaft mag für Außenstehende verschlossen erscheinen. Es ist eine Kultur, die ihre eigenen sicheren Räume schätzt, und ich verstehe dieses Gefühl zu einhundert Prozent. Aber in dieser Straße gibt es auch Räume, in denen Menschen aus allen sozialen Schichten zusammenkommen und sich zu Hause fühlen können. Ich möchte, dass mein Foodtruck ein solcher Ort ist.”
Eine weitere große Veränderung, die Karam wahrnimmt, ist die Tatsache, dass es viel mehr Menschen gibt, die Arabisch sprechen, auch wenn es nicht ihre Muttersprache ist.
“Heutzutage ist es ein bisschen gefährlich, auf der Straße auf Arabisch zu plaudern [lacht]. Einer meiner syrischen Freunde hat zum Beispiel eine deutsche Freundin und ihr bester Freund kommt aus Marokko. Es scheint, dass man mit der Zeit Freunde mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund findet, neue Beziehungen eingeht und, bevor man sich versieht, die Sprache und Kultur des anderen lernt.”