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KOKO#13 Die Straßen bieten alle Materialien

Interview mit Melisa

#13 Die Straßen bieten alle Materialien

Interview mit Melisa

Einst als "gefährlichste Straße Deutschlands" bezeichnet, hat sich die Eisenbahnstraße in Leipzig zu einer lebendigen Straße entwickelt. Während sich die Stadt rasant verändert, gibt es Menschen, die in ihrem eigenen Tempo und mit einer gewissen Gelassenheit ihren Weg gehen.

In der 13. Folge stellen wir Melisa vor, eine Modedesignerin aus Chile. Wenn die Materialien, die sie auf den Straßen Leipzigs oder in Secondhand-Läden sammelt, in ihren Händen zusammenkommen, entstehen Kleidungsstücke, die eine originelle und unvergleichliche Welt zum Ausdruck bringen.

Wenn man durch die Straßen von Leipzig geht, sieht man oft Kisten und Kartons mit der Aufschrift ‘Zu verschenken’. Melisa aus Chile betreibt die Upcycling-Modemarke ‚Gallanegra’. Sie zaubert aus gebrauchten Kleidungsstücken von der Straße kreative Kleidungsstücke.

Melisa sagt: “Ich habe immer versucht, mich durch meine Kleidung frei zu fühlen. Als ich ein Kind war kaufte mir meine Mutter immer Kleider, aber die gefielen mir überhaupt nicht. Also fing ich an sie zu verändern und mit anderen Kleidungsstücken zu kombinieren. Das erste Nähmaschine bekam ich mit 14 Jahren als  Weihnachtsgeschenk.”

Melisa hatte eine Karriere als Schauspielerin in Chile, aber ihr fehlte die Leidenschaft, um als Schauspielerin zu leben. “Also beschloss ich, mit dem Theater aufzuhören und zu tun, was ich wollte, und folgte meinem Herzen. Ich wollte Kleider finden und sie in etwas Schöneres transformieren. Ganz nach meinem Geschmack. Beim Upcycling kann man mit allem experimentieren. Man ist sein eigener Lehrer. Man lernt indem man Fehler macht und es gibt keine Regeln, die man befolgen muss”.

Melisa beschloss daraufhin nach Deutschland zu ziehen, wo sie ein Working-Holiday-Visum erhalten konnte. Santiago de Chile war ihr zu hektisch geworden. Sie entschied sich für Leipzig, weil sie einen weniger turbulenten Ort als Berlin suchte.

“Ich lebe hier schon immer im Leipziger Osten. Das Gebiet fühlt sich sehr gegensätzlich an, es ist gleichzeitig sicher und gefährlich. Die Eisenbahnstraße ist voller unterschiedlicher Menschen, aber als Migrantin musste ich mich natürlich einleben. Am Anfang war es schwer, aber jetzt habe ich eine Community zu der ich gehöre, und Kunden, die sagen, dass sie meine Arbeit mögen.”

In den Straßen von Leipzig findet sie alle Materialien für die Art Kleidung, die Melisa herstellt. Manchmal sammelt sie selbst Kleidungsstücke in Secondhand-Läden und manchmal retten ihre Freunde Dinge von der Straße und sagen: ‘Das wäre perfekt für Melisa!’

Melisa meint: “Jeder, der Upcycling macht, ist auch Sammler. Ich liebe es einfach Kleidung und Dinge zu sammeln. Im Moment weiß ich noch nicht, warum ich sie sammle. Ich nehme zum Beispiel eine alte Jacke und versuche sie mit einer Hose zu kombinieren, die ich auf der Straße gefunden habe. Dann passen die beiden Stücke perfekt zusammen und das ist der Moment, den ich liebe.”

Melisa erzählt schließlich von ihrem Traum:

“Mein Ziel ist es, ein Gleichgewicht zwischen dem Kapitalismus und meiner Kunst zu finden. Das Wichtigste an meiner Arbeit ist es, das perfekte Outfit für meine Kunden zu kreieren und zu sehen, wie ihre Gesichter vor Freude und Zufriedenheit strahlen, wenn sie es tragen. Menschen sind so schön, wenn sie ihr Wesen und ihre Identität durch ihre Kleidung ausdrücken. Ein zweiter Traum ist es, eine Familie zu haben, also Freunde, Partner, Kinder, Haustiere. Es ist kein Traum, der die Welt verändert. Vielmehr möchte ich langsam meinen Platz in der Welt finden.”