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KOKO#15 Wo Sicherheit Wurzeln schlägt – aber wie?
Interview mit Marisa

#15 Wo Sicherheit Wurzeln schlägt – aber wie?
Interview mit Marisa

Einst als "gefährlichste Straße Deutschlands" bezeichnet, hat sich die Eisenbahnstraße in Leipzig zu einer lebendigen Straße entwickelt. Während sich die Stadt rasant verändert, gibt es Menschen, die in ihrem eigenen Tempo und mit einer gewissen Gelassenheit ihren Weg gehen.

Folge 15 stellt Marisa vor, die seit fast 30 Jahren Migranten und Geflüchtete unterstützt. Im Juni wurde im Zentrum der Eisenbahnstraße eine feste Polizeidienststelle eröffnet. Marisa zeigt, was ein wirklich „sicherer“ Ort für alle bedeutet.
Die Infostelle Leipzig, ein Projekt der Deutsch- Spanische Freundschaft e.V. ist eine Initiative, die Migranten und Geflüchtete in Leipzig unterstützt. Marisa, die Gründerin des Vereins, ist eine Migrantin aus Buenos Aires.
“Ich kam 1998 nach Leipzig, als ich 33 war. Ich kann also sagen, dass ich Leipzig seit langem beobachte. Am Anfang war ich eine Migrantin, die etwas zu tun suchte. Ich habe alle möglichen Jobs angenommen - Hilfe bei Veranstaltungen, Catering, einfach alles”, erzählt sie.
Im Jahr 2000 gründete Marisa dann zusammen mit spanischen und deutschen Studenten den Verein ‘Deutsch-Spanische Freundschaft e.V.’. Sie sagt:
“Seit 2017 konnten wir den Kreis der Menschen, die wir unterstützen, erweitern. Zuerst waren es spanisch sprechende, jetzt unterstützen wir auch arabisch sprechende Migranten, die eine große Gemeinschaft in der Eisenbahnstraße darstellen. Obwohl Deutsch nicht unsere Muttersprache ist, hatten wir bereits viel Wissen über das deutsche Sozialsystem angesammelt und konnten andere zu den Schwierigkeiten beraten mit denen sie als Migranten konfrontiert sind.”

Fragt man sie nach ihrem Lieblingsplatz in der Eisenbahnstraße, antwortet Marisa sofort:
“Unser Büro! Dort haben wir Frauen aus Syrien, dem Irak, Palästina und auch einige Familien aus Somalia betreut. Wir unterstützen uns gegenseitig mit unseren Fähigkeiten. Leider sind wir aber nicht mehr in der Eisenbahnstraße, weil wir die Räume Anfang 2024 verlassen mussten und vorübergehend im Haus der Demokratie untergebracht waren. Aktuell sind wir in der Innenstadt in den Räume von KolLEktiv - Treffpunkt für Engagement und Begegnung.”
Wie Marisa beschriebt, wird es in der Eisenbahnstraße immer schwieriger, neue Räume zu finden. Außerdem gibt es eine Neuigkeit: Im Juni 2025 wurde mitten in der Eisenbahnstraße – in einem ehemaligen Gemüseladen – eine feste Polizeistation eröffnet. Die Dienststelle ist ein zentraler Bestandteil eines Maßnahmenplans der Stadt Leipzig zur endgültigen Abschaffung der Waffenverbotszone in der Straße.

Ein Teil der Anwohnerschaft wünscht sich hier eine Polizeistation, ein anderer Teil lehnt sie ab. Schon Ende Mai dieses Jahres war die Station zudem Ziel eines Angriffs: Etwa 80 Personen hatten Steine und Farbflaschen geworfen. Zur Eröffnung der Dienststelle fand gegenüber dem Gebäude eine Demonstration statt.
„Was die Eisenbahnstraße nicht verlieren darf, sind die Freiräume, die Vielfalt und das freiwillige Engagement der Menschen. Wenn plötzlich eine Polizeistation eingerichtet wird und die Leute nicht mehr in die Eisenbahnstraße kommen, weil sie Angst haben, löst das nicht die Probleme, die das Viertel hat“, meint Marisa.
Schließlich betont sie: “Menschen, die als Migranten oder Geflüchtete nach Deutschland kommen, haben viele Einschränkungen bei der Integration. Das kann dazu führen, dass einige in Drogenkonsum und -handel involviert werden. Aber wenn die Polizei nur dieses Problemfeld angeht, wird das keine fundamentale Lösung sein. Um wirklich von einer offenen und toleranten Gesellschaft reden zu können, muss man die Situation ganzheitlich betrachten, muss der Perspektivwechsel und die Integration aber auch von beiden Seiten kommen”.