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KOKO#3 Schreiben, Lesen, Boxen
Interview mit G

#3 Schreiben, Lesen, Boxen
Interview mit G

Einst als "gefährlichste Straße Deutschlands" bezeichnet, hat sich die Eisenbahnstraße in Leipzig zu einer lebendigen Straße entwickelt. Während sich die Stadt rasant verändert, gibt es Menschen, die in ihrem eigenen Tempo und mit einer gewissen Gelassenheit ihren Weg gehen.

In der dritten Folge lernen wir G kennen, eine Schriftstellerin mit koreanischen Wurzeln, die in den USA aufgewachsen ist. G verbringt viele Zeit in der Eisenbahnstraße – sei es beim Schreiben zu Hause, beim Einkaufen oder bei ihrem Hobby, dem Boxen. Sie genießt die Besonderheit dieses Ortes.
“Mein Lieblingsort in der Eisenbahnstraße ist das Boxstudio. Dort müssen wir keine tiefen Gespräche führen, wir trainieren einfach zusammen. Ich bin kein sehr sozialer Mensch, deshalb fühle ich mich manchmal bei dieser Art von Kommunikation wohl.”
In den USA geboren und aufgewachsen, war G nach der Universität “berufstätig”, verbrachte dann aber ein paar Monate nur mit Büchern im Haus ihrer Eltern. Sie sagt: “Ich habe vom Aufwachen bis zum Schlafen gelesen und so gut wie nichts anderes gemacht. Diese Zeit hat alles in meinem Leben verändert.”
Dann bekam sie ein Stipendium und lebte zum ersten Mal in Berlin. “In dieser Zeit begann ich deutlicher zu erkennen, in was für einem Land ich geboren und aufgewachsen bin. Ich musste die USA verlassen, vielleicht sogar vergessen, um es besser zu verstehen”, erzählt sie.

G zog irgendwann später nach Leipzig, als ein Freund ihr einen Job als Englischlehrerin empfahl. “Leipzig ist nicht so englischsprachig wie Berlin. Ich klinge doof, wenn ich Deutsch spreche, aber das gefällt mir”, meint sie.
G’s Wohnung liegt in der Eisenbahnstraße. Die Straße hat das Image sehr laut zu sein, aber G’s Zimmer liegt auf der straßenabgewandten Seite zum Innenhof, so dass es sehr ruhig ist und sie sich dort wohl fühlt (“es ist wie eine Höhle, aber eine Höhle direkt unter dem Dach”).
In G’s Augen ist die Straße ein besonderer Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Kulturen, Sprachen, Rassen und Altersgruppen kollidieren.

Alles, was sie zum täglichen Leben braucht, liegt in dieser Straße, vom Einkauf über das Treffen mit Freunden bis hin zum Boxstudio.
Sie sagt: “Manchmal brauche ich doppelt so viel Zeit, um die Straße entlang zu gehen, weil ich zu viele Leute kenne. Manchmal vergesse ich, warum ich überhaupt nach draußen gegangen bin.”
Sie verbringt die meiste Zeit des Tages zu Hause und arbeitet. “Mein Körper, mein Kopf, mein Herz, alles ist fürs Schreiben. Ich bin eine kleine langhaarige Maschine für das Schreiben. Mein Leben und meine Arbeit sind hier, und das ist etwas ganz Besonderes.”